Kopf aus, Bauch an? (Literatur-Tipp)



Seit meinem letzten Bloggeintrag hat der normale (Arbeits-)Alltag voll zugeschlagen. Wie das eben so ist. Auf der Strecke bleibt dann so einiges, was man meint dort kurz parken zu können. Mir persönlich geht es in der Zeit vor den Sommerferien meistens so – seit wir Kinder haben. Die Zeit ist dann wie zusammengerafft und das was sich so abspielt läuft so schnell ab, dass – wie jetzt – die Ferien dann ganz überraschend vor der Tür stehen.

Prioritäten setzen heißt auswählen, was liegenbleiben soll.
Helmar Nahr

Um Texte zu schreiben brauche ich Muße. So etwas wie einen Moment Ruhe. Ein Stück vom Glück. Natürlich gibt es diese Momente der Muße oder Ruhe immer – mal. In diesen Zeiten, von denen ich jetzt aber  „spreche“, werden diese Momente für andere Dinge eingesetzt. Ganz vorne mit dabei sind Gespräche mit den Kindern, das Üben für Arbeiten, Unkraut zupfen, Spülmaschine ausräumen, der Wäsche wieder Herr werden oder Einkäufe erledigen. Alles andere ist dann so einnehmend, dass diese kostbaren Momente mitunter auch für diese Lebens- und Alltagserhaltenden Dinge zum Einsatz kommen. So viel zu meiner Ausrede ;)

Ausreden sind Intelligenzprüfungen.
Manfred Hinrich

In der Zeit, in der ich mich hier auf meinem Blog – bestimmt auch bei Freunden - rar gemacht habe, habe ich viel gelesen. Größtenteils um mich auf Fortbildungen, Projekte, Kurse oder ähnliches vorzubereiten. Seit ein paar Tagen wird es nun aber endlich ruhiger. Die Ferien sind greifbar nahe – eine Woche noch. Und gestern war dann endlich mal wieder einer dieser Momente in denen ich ein Buch zur Hand nehmen konnte, auf das ich mich schon sehr gefreut habe. Vor fast genau einem Jahr habe ich dieses Buch schon einmal gelesen auf der Autofahrt in den Urlaub.

Kopf aus, Bauch an? Die Balance zwischen Verstand und Intuition finden.
Buch von: Anne Heintze / 1.Auflage  2016 / GRÄFE und UNZER Verlag

Ein Buch voller interesanter Gedanken und Ideen. Leicht zu lesen auch mal für Zwischendurch. Für mich also zur Zeit genau das Richtige. Anne Heintz beschreibt anschaulich, um was es bei der Intuition, dem Bauchgefühl, Instinkt oder der Herzenssprache geht. Es werden Situationen beschrieben, die wohl jeder kennt. Etwa eine private oder berufliche Enttäuschung, die sich bei genauerem Hinsehen hätte vermeiden lassen. „Eigentlich habe ich es vorher gewusst.“ oder „Ich hatte gleich so ein komisches Gefühl.“ Ich kenne diese Momente und tendentiell verlasse ich mich dann auch darauf – dachte ich zumindest! Wirklich viel befasse ich mich aber nicht damit, zu verstehen, was das eigentlich heißt.

Intuition ist Intelligenz mit überhöhter Geschwindigkeit.
Aus Italien

Gerade in Momenten, in denen alles auf einmal kommt, scheint es bei mir eher so zu sein, dass ich auf „Autopilot“ schalte. Um die Geschwindigkeit zu halten oder anders gesagt, um alles unter einen Hut zu bekommen. Da hat dann meine Intuition - glaube ich - keine großen Chancen. Wie blöd eigentlich – gerade dann könnte ich sie - eigentlich - ganz gut gebrauchen. Es wäre fantastisch wenn es möglich wäre, immer und überall die Balance zwischen Verstand und Intuition zu suchen & dann auch zu finden. Bei mir ist es eher so, dass wenn „es drauf ankommt“ gerade dann wenn alles – scheinbar - auf einmal kommt, mein Verstand sich durchsetzt und das Ruder oder Steuer in die Hand nimmt.

Anne Heintze schreibt, dass man durch eine starke Intuition wesentlich mehr Möglichkeiten hat, sich selbst und seine Ideen zu verwirklichen. Wie auch andere Bereiche der persönlichen und sozialen Kompetenz kann die Intuition verbessert und veredelt werden. Heintze läd den Leser ein, zu lernen, die eigene Gedankenwelt und Intuition konstruktiv zusammenarbeiten zu lassen.

Mit Logik kann man Beweise führen
aber keine neuen Erkenntnisse gewinnen,
dazu gehört Intuition.
Henri Poincaré

In dem Kapitel „Kopf, Herz, Bauch? Alles Gehirn“ beschäftigt sie sich mit der Frage, was genau Intuition ausmacht. Beschrieben wird Intuition als eine weitgehend unbewusste Form der Informations- und Entscheidungsfindung. Während auf der Kopfseite die Ratio, also die Vernunft, regiert, werden Bauchgefühl und Herzstimme von Gefühlen und Unterbewusstem geleitet. Im Buch beschreibt sie ganz unterschiedliche Übungen die man gut in den Alltag integrieren kann. Es geht mitunter darum, durch beobachten, einfach wahrzunehmen, ohne zu bewerten, ohne zu durchdenken oder zu be- oder gar verurteilen, die Intuition zu verfeinern.

Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor.
Augustinus Aurelius

Laut Heintze unterscheidet sich der Verstand von der Intuition dadurch, dass im Kopf Daten, Informationen und Wissen gespeichert werden, die zu einem bewussten Handeln führen. Impulsgeber für intuitives Handeln ist hingegen das Bauchgefühl, aus dem ein von Gefühlen getragenes Verhalten folgen kann. Ins Bauchgefühl fließen auch unbewusst aufgenommene Informationen ein somit haben intuitive Entscheidungen in vielen Situationen große Vorteile gegenüber rationalen Abwägungnen.

Die modernste Form der Sintflut ist die Reizüberflutung.
Ernst Ferstl

Heutzutage leiden wir zunehmend unter einer Reizüberflutung, einfach aufgrund der Vielzahl von Medien und Informationsquellen, von denen wir umgeben sind. Heintze schreibt weiter, dass rein vom Verstand her zu entscheiden, da kaum noch möglich ist und oft überfordernd. Genau hier punktet die Intuition, die zahllose komplexe und rational schwer erfassbare Informationen wesentlich besser verarbeiten kann als unser denkender Kopf. Mit Hilfe unserer Intuition können wir auf den riesigen unbewussten Wissensspeicher zurückgreifen. Die Gunst der Stunde kann unsere Intuition am besten erfassen. Wenn es beispielsweise schnell gehen muss, so schnell, dass unser Denken mit dem Auswerten der uns zugänglichen Fakten gar nicht nachkommen würde, da sind Bauchgefühl oder Herzstimme verlässliche Partner.

Intuition ist der natürliche Gegenpol zur Konzentration –
nutzen sollte man beides, jedes zu seiner Zeit.
Rüdiger Keßler

Und da sind wir schon wieder bei meinem – persönlichen – Ausgangspunkt angekommen. Kopf aus, Bauch an … was mich betrifft – insbesondere nach der Zeit, die gerade hinter mir liegt -  muss ich mich da wohl noch etwas anstrengen. Wir alle wissen ja, das Übung den Meister macht und wo ein Wille auch ein Weg ist. Ich denke, mit diesem Buch im Gepäck wird das schon werden – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt ;)

Alle „Skeptiker“ sollten sich in jedem Fall mal im Kapitel „Die Stärken intuitiver Menschen“ den Teil genauer anschauen, wo es darum geht, wie klein unser Verstand ist! Denn auch wenn wir ihm zweifellos sehr viel verdanken, hat er dennoch seine Schwächen – wie Heintze wunderbar beschreibt. Der größte Nachteil unseres Verstandes ist nämlich seine beschränkte Kapazität. Er kann immer nur mit einer relativ geringen Menge an Informationen gut klar kommen. Oder wer von euch kann 5 Gedanken auf einmal denken?

Denken ist ein Herausheben.
Friedrich Wilhelm Nietzsche

Auf S. 30 wird somit von Heintze sehr anschaulich auf den Punkt gebracht, dass seit Beginn des Computerzeitalters die Informationskapazität in sogenannten Bits gemessen wird. Diese Bits sind die Maßeinheit für Datenmengen innerhalb eines Systhems wie einem Computer oder einem Gehirn. Wir brauchen uns da gar nicht zu verstecken: Unser Gehirn ist fast genauso leistungsfähig wie ein PC. Es schafft eine Verarbeitungsgeschwindigkeit von atemberaubenden 10 hoch 13 Bits pro Sekunde. Beim schnellsten Computer sind es mehr als 10 hoch 14.

Ein Computer kann alles besser, auch Fehler machen.
Erhard Blanck

Besonders spannend fand ich die Stelle, wo Heintze darauf eingeht, dass wir das meiste verpassen. Diese Gehirnkapazität beschreibt das, was wir zum allergrößten Teil gar nicht mitbekommen. Denn wir sind nicht in der Lage, durch das bewusste Denken mehr als 120 Bits pro Sekunde wahrzunehmen. Im Vergleich zum Computer ist das natürlich geradezu lächerlich. Heintze beschreibt anhand vieler Beispiele sehr deutlich, dass in unserem Unterbewusstsein eine große Kapazität schlummert und wir durch eine aktive Schulung der Intuition lernen können, Zugang zu diesem Wissenschatz zu erlangen. 

Also was mich betrifft, freue ich mich drauf, das Buch von Anne Heintze erneut zu lesen, um mir diesmal aber wirklich das ein oder andere zu Herzen zu nehmen.




Kommentare